Tränenreiche Babyzeit und warum Babys mehr weinen als Eltern erwarten.
Liebe Eltern,
schon zu Beginn der Schwangerschaft waren Sie von tiefer Liebe erfüllt und von dem Wunsch beseelt, mit Ihrem Kind friedvoll und harmonisch zusammen zu leben. Eltern sind heute in der Regel gut informiert und bestens vorbereitet auf die erste Zeit mit ihrem Kind. Sie lesen Erziehungsratgeber, wissen um die emotionale Bedürftigkeit des Kindes, besuchen Vorbereitungs- und Säuglingspflegekurse und tauschen sich mit anderen Eltern und ihrer Hebamme aus. Das „Nest“ wird sorgsam bereitet, in dem das Baby dann heranwachsen soll.
Doch immer wieder werden Eltern davon überrascht, dass ihr mit Liebe erwartetes und betreutes Baby weitaus mehr weint, als sie es sich je vorgestellt haben. Aus der ersten Überraschung können alsbald Ratlosigkeit, Stress, Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühle, sogar Ablehnung entstehen.
Die Eltern fühlen sich ratlos, hilflos, müde und enttäuscht. Sie rätseln. Was kann nur sein? Die Windel ist gewechselt, der Magen gefüllt. Die Mama hat ein Liedchen gesungen (oder schon mehrere), der Papa trägt das Baby seit zwei Stunden mit rhythmischen Bewegungen auf und ab. Sie haben Tee angeboten, Blähungströpfchen gegeben und das Bäuchlein massiert. Doch das Baby weint. Wenn dies mehrere Tage oder sogar Wochen so geht, dann wissen die Eltern nicht mehr weiter. Ich möchte Ihnen mit dieser kleinen Broschüre neues Hintergrundwissen vermitteln, damit Sie die Tränen Ihres Kindes besser verstehen können, aus der Hilflosigkeit, Enttäuschung und Ohnmacht herausfinden und sich den Schwierigkeiten sicher und gelassen stellen können.
„Aber mein Baby hat doch keinen Grund zu weinen“ So denken viele Eltern, die sich mit ganzer Aufmerksamkeit ihrem Kind widmen und immer sofort zur Stelle sind, wenn es weint. Optimale Betreuung bedeutet heute, dass die Eltern stets auf vermeintliche Hungersignale achten, dass das Baby reichlich Zärtlichkeit, Ansprache und Körperkontakt bekommt und ausreichend Gelegenheit für ein „Bäuerchen“ hat, dass Koliken mit Tröpfchen, Bauchmassage oder dem so genannten Fliegergriff „behandelt“ werden und – vor allem – dass die Eltern auf Weinen des Kindes sofort mit beruhigenden Maßnahmen reagieren. Die leidvolle Erfahrung vieler Eltern aber zeigt, dass ihr Kind trotz dieser liebevollen Rundumbetreuung nicht zufrieden ist. Was also fehlt ihm?
Diese Frage ist nicht in wenigen Zeilen zu beantworten. Grundsätzlich ist aber dazu anzumerken, dass jedes Kind eine eigenständige Persönlichkeit, ein einmaliges Individuum mit schon weit vor seiner Geburt ausgeprägtem Gefühlsleben ist. Dieser kleine Mensch hat nicht nur körperliche, sondern auch seelisch-geistige Bedürfnisse, die durch die oben beschriebene Betreuung allein nicht erfüllt werden. Einige dieser Bedürfnisse möchte ich im Folgenden beschreiben.
Warum Babys weinen:
Entgegen der meist vertretenen Ansicht, dass Babys weinen, wenn sie in einer nassen Windel liegen, Hunger oder Durst verspüren, Bauchweh oder Sehnsucht nach Nähe und Zuwendung haben, gibt es weitaus mehr und wesentlich tiefer liegende Gründe, weshalb ein Baby weint. Hier möchte ich Ihnen, liebe Eltern, vermitteln, dass sie nicht „schuld“ an den Tränen sind, weil sie Wesentliches übersehen haben. Im Gegenteil, die oben aufgeführten Gründe haben Sie ja schnell, zuverlässig und liebevoll beseitigt. Warum aber weint das Baby weiter?
Es gibt inzwischen ausreichend gesicherte Erkenntnisse darüber, dass schon ein ungeborenes Kind Gefühle des seelischen Schmerzes, der Einsamkeit, der Trauer, der Verlassenheit, der Enttäuschung, der Abwehr, des Ausgeliefertseins oder der Überforderung haben kann, wenn es entsprechende Erlebnisse hat. Es kann diese Gefühle wahrnehmen, nach „angenehm“ und „unangenehm“ unterscheiden, sie sich merken und eventuell mit anderen
Erinnerungen vergleichen. Es ist bekannt, dass Babys genau wahrnehmen, was um sie herum geschieht.(1)
Ein Baby ruft um Hilfe:
Plötzlich begreifen wir: Da ist ein kleiner Mensch, der die Welt noch nicht versteht. Da ist ein Mensch in Not. Ein Baby, tief erschrocken durch die helle Weite, dem das erste Bad große Angst bereitet, welches durch die unerwartete und unverständliche Trennung von der Mama in tiefe Bestürzung fällt und nun seinem Entsetzen mit Tränen und Geschrei Ausdruck verleihen möchte. Nun verstehen wir das Kind. Es ist nicht die nasse Windel, die zu Unwohlsein führt – nein, es sind die unzähligen Besucher, die dem Baby „auf den Nerv“ gehen und es nicht zur Ruhe kommen lassen. Es ist die Verletzung seines Selbstwertgefühles, wenn es bei der Angst erregenden Untersuchung hören muss: „Jetzt stell dich doch nicht so an!“ Es ist nicht Hunger, wenn das Baby nach einer halben Stunde schon wieder an die Brust will, sondern der verzweifelte Versuch, die hereinbrechenden Eindrücke zu verkraften, sich damit zurechtzufinden und sie mit Hilfe des Nuckelns „zu schlucken“.
Jede Individualität erlebt sich und das Leben anders:
Und so wird verständlich, weshalb auch ein liebevoll betreutes Baby viel mehr weinen kann als Eltern es je erwartet haben. Die Fürsorglichkeit der Eltern hat keinerlei Einfluss darauf, ob das Kind bei der Geburt Ängste der Enge erlebt hat, ob es darüber verzweifelte, dass ihm sein Recht auf einen selbstbestimmten Geburtszeitpunkt genommen wurde, dass es Verzweiflung, ja Panik empfindet, wenn es – auch nur kurzfristig – von der Mutter getrennt wird.
Die gute Betreuung ändert nichts an dem Schmerz der wiederholten, oft unnötigen Blutabnahme, sie mindert nicht das Entsetzen bei der Routineuntersuchung, wenn zum wiederholten Male der Moro-Reflex ausgelöst wird. („Das machst du aber prächtig!“) Diese Beispiele sollen verdeutlichen, dass Ihr Baby die ganze Welt mit allen Licht- und Schattenseiten wahrnimmt, und nicht nur die liebevollen Bemühungen der Eltern.
Wie reagieren Eltern, wenn ihr Baby weint?
„Du brauchst doch nicht zu weinen“
Liebevolle Eltern sind sehr bemüht, die Tränen ihrer Kinder rasch wieder zum Versiegen zu bringen. Sobald das Baby weint, versucht die Mama herauszufinden, was es denn auf dem Herzen haben könnte. Sie bietet ihm den Nucki oder ein Teefläschchen an, trägt es herum, schaukelt es im Kindersitz oder wippt mit ihm auf dem Gymnastikball. Der Papa wechselt die Windel, summt eine Melodie und dreht eine Runde mit dem geschulterten Baby durch die Wohnung. Wenn alles nicht weiterhilft, packen die Eltern den Föhn aus, um das Kind mit dem summenden Geräusch und der angenehm warmen Luft zu beruhigen. Dem Einfallsreichtum der Eltern sind da keine Grenzen gesetzt. Wer kennt nicht die Berichte vom übermüdeten Vater, der nachts mit dem Auto um den Block fahren muss, damit das Weinen endlich wieder aufhört, und von der Verzweiflungstat der Mutter, die ihr Baby im Kindersitz auf die schleudernde Waschmaschine stellt, damit ihm durch das Ruckeln endlich die Augen zufallen?
Warum helfen diese Maßnahmen nicht weiter?
Liebe Eltern, wenn auch Sie zu den Geplagten gehören, die schon alles probiert haben und trotzdem erfolglos vor Ihrem schreiendem Baby stehen, dann wissen Sie auch, wie sehr diese Versuche Sie erschöpft haben. Sie haben alles versucht und alles gegeben und sind nun sehr enttäuscht, verzweifelt oder auch zornig über die fehlende Resonanz. Das Baby ist zwar immer wieder mal ruhig gewesen oder eingeschlafen, aber nur, um kurz nach dem Hinlegen wieder mit neuer Kraft weiterzuschreien. Warum versagen all Ihre Bemühungen?
Unangemessene Beruhigungs-maßnahmen:
Im ersten Kapitel habe ich erläutert, dass Ihr Baby weitaus differenziertere Gefühle hat, als wir im Allgemeinen annehmen. Wenn es „nur“ Sehnsucht nach Zuwendung hätte, dann müsste es ja zufrieden sein, wenn es diese bekommt. Wenn es die nasse Windel beklagt, müsste es nach dem Trockenlegen strahlen. Wenn es tatsächlich Koliken wären, die es so plagen, müsste es nach der Einnahme der entsprechenden Medikamente entspannt schlafen können. Wenn es wirklich Langeweile wäre, die es so anspruchsvoll sein lässt, dann müssten seine Augen leuchten, wenn Sie mit ihm spielen. Doch so ist es nicht.
Bei näherer Betrachtung ist das ist durchaus verständlich. Denn ein Baby kann nicht zufrieden sein, wenn es sich über die unbegreifliche Trennung von der Mama lauthals beklagen will und es stattdessen einen Schnuller zur Beruhigung bekommt. Es kann nicht ruhig werden, wenn es sich
im Moment vom Leben vollkommen überfordert fühlt und „zum Trost“ vom Papa unter kräftigem Geschaukel durch das Wohnzimmer getragen wird. Es kann sich nicht mit Hilfe von „Blähungströpfchen“ entspannen, wenn es gleichzeitig allen Kummer hinunterschlucken muss, weil es sich nicht durch Weinen befreien darf. Der Föhn kann ihm nicht ersparen, dass es um sich herum nichts als angstmachende Leere und Weite spürt, statt des kontinuierlichen Haltes der wohlvertrauten Enge. Auch das mechanische Mobile wird ihm nicht weiterhelfen, welches mit scheppernder Melodie über seinem Köpfchen kreist, wenn es der schönen, ruhigen und sicheren Zeit im Mutterleib nachtrauert.
Wir müssen neue Wege suchen:
Sie sehen also, der drängende Wunsch, dem weinenden Baby behilflich zu sein, lässt Eltern schnell zu falschen Mitteln greifen. Woher rührt dieser vergebliche Einsatz der elterlichen Kraft?
Weil diesem Geschehen zwei fundamentale Irrtümer zu Grunde liegen. Der erste Irrtum ist die allgemeine, gesellschaftlich gestützte Annahme, dass Weinen „etwas Schlimmes“ wäre, dem man sofort mit einem „Gegenmittel“ begegnen müsste. Doch das ist falsch. Das Weinen ist neben der Sprache und der Mimik ein elementares, wichtiges Ausdrucksmittel für Befindlichkeit und Gefühle. Durch das Weinen kann der Mensch sein Befinden und seine schmerzlichen Gefühle ausdrücken und emotionalen Stress abbauen. Dies ist äußerst wichtig. Das Weinen ist eine Sprache. Insbesondere ist diese Form der Sprache für die kleinen Kinder wichtig, die ja über viele Jahre ganz in der Gefühlswelt leben.
Der zweite Irrtum ist die Annahme, dass das Baby weint, weil die Eltern etwas „falsch“ gemacht haben. Wenn Eltern denken, ihr Baby weint, weil sie ihm nicht oft genug ihre Zuwendung schenken, werden sie sich noch öfter als bisher (und das war schon sehr oft) dem Baby widmen. Wenn eine Mutter das Gefühl hat, ihr Baby weint, weil sie evtl. nicht genügend Milch hat (obwohl es prächtig zunimmt), wird sie es bei jeder Lautäußerung wieder an die Brust legen. Wenn Eltern meinen, ihr Kind weint, weil sie nicht genügend mit ihm spielen, werden sie es weiter mit Animation bei guter Laune halten wollen, obwohl sie kaum noch zum Frühstücken kommen.
Dies laugt die Eltern aus, sie fühlen sich schon bald überlastet und überfordert. Der Irrtum beruht also auf dem Glauben, noch mehr von dem machen zu müssen, was fürsorgliche Eltern sowieso schon tun – als könnte eine Aktivitätssteigerung der Eltern dem Kind die Orientierungslosigkeit oder seine Ängste nehmen.
Der Unterschied zwischen Beruhigung und Trost:
Das Kind hat ein Recht auf seine Tränen. Wenn wir uns klar machen, dass das Baby mit seinem Weinen auf etwas Wichtiges in seinem Erleben und auf starke Empfindungen hinweisen möchte, dann können wir uns vorstellen, dass es jemanden braucht, der ihm zuhört. Wirklich zuhört. Es ist zwar üblich, dass Eltern sich dem Kind sofort zuwenden, wenn es sich mit Weinen mitteilen möchte, aber genauso üblich ist es, ihm sofort etwas in den Mund zu stecken, damit es nicht mehr weinen muss oder kann. Was soll das Baby davon halten? Es spürt zwar die liebevollen Bemühungen seiner Eltern, kann aber sicher nicht begreifen, warum es nichts sagen darf. Dies kann tiefe Irritation bei dem kleinen Kind auslösen. Wieso soll es wieder ruhig sein, wenn es doch erzählen möchte, dass ihm die große Welt noch Angst macht. Wieso soll es trinken, wenn es sich überfordert fühlt? Wieso muss es sich die Spieluhr zum fünften Male anhören, wenn ihm der Kopf noch schwirrt vom täglichen Einkaufsstress? Mit jedem weiteren Versuch, das Kind „zu beruhigen“, kann seine Irritation wachsen. Mit jedem runtergeschluckten Gefühl werden seine „Koliken“ stärker. Mit jedem liebevollen „Du brauchst doch nicht zu weinen, mein Schatz“ fällt es tiefer in die Orientierungslosigkeit, weil es nicht unterscheiden kann, ob jetzt die Mama Recht hat oder das eigene Gefühl, die Angst vor dem Unbekannten im Leben.
Beruhigungsmaßnahmen irritieren:
Beruhigungsmaßnahmen machen natürlich auch ruhig, aber leider nur für kurze Momente. Sie führen nicht zu einer tiefen Befriedigung des Kindes, weil sie an der Oberfläche bleiben und die tieferen Ursachen nicht berücksichtigen.
Wie ja schon das Wort „beruhigen“ sagt, soll hier der Versuch unternommen werden, das Baby „ruhig“ zu machen. Das Ziel der Maßnahme ist also die Ruhe und die da hinein interpretierte Zufriedenheit des Kindes.
Die tatsächliche Ursache des Weinens wird bei der Beruhigung nicht berücksichtigt. Was das Kind auf dem Herzen hat, kann von ihm nicht wirklich „ausgesprochen“ werden, weil niemand zuhört.
Dies bedeutet einen zusätzlichen Schmerz, den das Baby wieder mit Weinen ausdrückt. Ein Teufelskreis.
Wir müssen also lernen, dem Baby zuzuhören, um seine Sprache zu verstehen. Und nicht in gesteigerte Aktivität verfallen, um mit allen möglichen Maßnahmen das Kind wieder zu „beruhigen“.
Der Unterschied zwischen Beruhigung und Trost:
Während also die Beruhigungsmaßnahme die „Ruhe“ zum Ziel hat, spendet der Trost dem Menschen Anteilnahme und Unterstützung in seiner seelischen Not. Beim Trost wird dem Leidenden die ganze Aufmerksamkeit geschenkt, es wird ihm zugehört, Verständnis für seinen Kummer gezeigt. Dabei weiß der Tröstende intuitiv, dass er sein Gegenüber nicht aus seiner misslichen Lage befreien kann, weil er (in der Regel) nicht deren Verursacher ist. Er kann ihm nur beistehen, das Schwere zu ertragen. Trost ist Balsam für die Seele.
Zum Wesen des Tröstens gehört aber auch das Wissen darum, dass jeder Mensch sein eigenes Schicksal hat, das so unabänderlich zu ihm gehört wie sein Geschlecht und die Haar- und Augenfarbe. Wir können niemandem sein Schicksal abnehmen, aber wir können helfend die Hände reichen, um mit Anteilnahme und Trost das Schwere erträglicher zu gestalten.
So kann eine Mutter nichts daran ändern, wenn ihr Baby Angst bei der Geburt hatte, aber sie kann ihr Kind in den Arm nehmen und mit ihm gemeinsam darüber trauern, dass es so schwer war.
Sie sehen also, liebe Eltern, beim Trost geht es darum, Ihr Kind in seinen schmerzhaften Gefühlen zu begleiten, ohne zu versuchen, es von seinem Kummer abzulenken. Praktisch bedeutet dies, dass ich dem Kind Recht gebe mit einem „Ja, ich weiß, Du musst jetzt weinen, das war zu viel für Dich“, statt ihm seine Sorgen mit den Worten „Du brauchst doch nicht zu weinen, mein Schatz, das ist doch gar nicht schlimm“ auszureden.
Wenn wir also lernen, das Geschrei der kleinen Kinder als Mitteilung zu verstehen, dann können wir auch bestätigend darauf eingehen. (2)
Wie erkennen Eltern die Ursachen der Tränen?
Wenn wir die oben aufgeführten Gründe des Weinens näher betrachten, kann sich gleich der unangenehme Gedanke einstellen: „Du lieber Himmel, woher soll ich denn jedes mal wissen, warum mein Baby jetzt weint“. Ganz recht, denn hellsehen können Sie ja nun wirklich nicht. Wenn Sie aber den Grundgedanken – zuhören statt ablenken – verinnerlicht haben, werden Sie bald merken, dass Sie gar nicht immer genau wissen müssen, warum Ihr Baby weint. Das verlangt niemand, auch nicht Ihr bedürftiges Kind. Es verlangt nur, dass Sie zuhören und es durch seinen Kummer begleiten.
Das ist anfangs sicher schwer für Sie. Diese Gedankengänge sind neu für Sie, sie sind in der Gesellschaft nicht bekannt und so haben Sie kaum Gleichgesinnte und Gesprächspartner für diese Ansicht. Deswegen möchte ich dies noch weiter ausführen, um Ihnen bei der neuen Vorgehensweise auch innerlichen Halt zu geben. Wenn das Baby weint, weil ihm die Welt viel zu groß und zu fremd erscheint, dann macht es einen großen Unterschied, ob ihm die Mama den Schnuller in den Mund steckt, oder aber ihm bestätigt: „Ja, ich weiß, du musst jetzt ein bisschen weinen, denn irgendetwas bedrückt dich.“
Diese bestätigenden Worte kann die Mutter aussprechen, auch wenn sie nicht weiß, ob ihm die Eindrücke zu viel waren, es einfach nur „Heimweh“ nach der alten, bekannten Welt hat oder noch überwältigt ist von der archaischen Kraft des Geburtsgeschehens.
Anerkennen, was ist:
Sie sehen also, Sie müssen den Grund nicht kennen. Sie brauchen nur anzuerkennen, dass es einen Grund gibt, um Ihr Kind begleiten zu können. Wenn Sie darüber hinaus noch wissen, dass Sie (in der Regel) nicht die Verursacher der Tränen sind, können Sie sich gesammelt dem Kind zuwenden. Denn das ständige Suchen nach den vermeintlichen Defiziten des Kindes höhlt die elterliche Kompetenz aus und verursacht Gefühle der Hilflosigkeit. In dem Moment aber, wo Eltern sich hilflos fühlen, bricht automatisch der emotionale Kontakt ab und verlagert sich auf äußerliche (unwichtige) Aktivitäten.
Die Konfliktvermeidung:
Hilfsmittel zur Krisenbewältigung. Wenn wir auf die Tränen unserer Kinder mit ablenkenden Maßnahmen reagieren, bedeutet das auch, dass wir den Konflikten aus dem Weg gehen. Dies ist oft sehr verständlich, denn Babygeschrei wirkt auf uns alle im höchsten Maße beunruhigend und belastend. Und doch lohnt es sich für alle Beteiligten, sich einer solchen Situation zu stellen. Krisen gehören zum Leben wie das Salz zur Suppe. Es gibt keine Möglichkeit, den schmerzhaften Seiten des Daseins zu entgehen. (Im Chinesischen bedeutet das Wort für „Krise“ gleichzeitig „Wachstum“) Wenn wir in Krisensituationen allerdings fortwährend zu Beruhigungsmitteln greifen, kann das Kind nicht die Fähigkeit entwickeln, Krisen zu überwinden. Stattdessen entwickelt sich eine Abhängigkeit von diesem Mittel. Da sich durch die Vermeidung der schmerzhaften Situation oder der Ablenkung davon keine Frusttoleranz, Belastbarkeit und Konfliktfähigkeit heranbilden kann, bleibt der Mensch auf einer unreifen Entwicklungsstufe stehen. Dies gilt für große wie für kleine Menschen. Auch in der gewiss auftretenden nächsten Krisensituation würde der „Ungeübte“ wieder hilflos vor dem Geschehen stehen und sich nicht anders als mit dem gewohnten Beruhigungs – und Ablenkungsmittel zu helfen wissen. Auch ein kleines Baby im Alter von erst einigen Wochen kann schon so sehr auf ein Hilfsmittel fixiert sein, dass es ohne dieses nicht aufhört zu weinen oder endlich einschläft. So entstehen für die Eltern äußerst nervige Angewohnheiten, zum Beispiel ständig im „Fliegergriff“ getragen werden zu wollen, nur auf Papas linker Schulter und im dezenten Galopp ruhig zu werden, nur einzuschlafen, wenn Mama monoton mit dem Baby auf dem Gymnastikball wippt, das Kind stündlich anlegt usw. Immer dann, wenn Eltern keine andere Möglichkeit mehr sehen, mit dem Baby in einen harmonischen Zustand zu kommen, können wir annehmen, dass sich das Baby aus lauter Verzweiflung schon auf dieses Hilfsmittel fixiert hat.
Wir sehen also, dass solche Hilfsmittel zur Krisenbewältigung das Baby in seiner Persönlichkeitsentwicklung eher beeinträchtigen, weil es so keine Möglichkeit hat, wichtige Fähigkeiten für seine Zukunft zu entwickeln.
Das wichtigste „Hilfsmittel“, sich im Leben geborgen zu fühlen, ein starkes Bewusstsein seiner selbst, sowie Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, ist die wohlwollende Anwesenheit der Eltern. Hier darf ein Baby oder Kleinkind „abhängig“ sein. Denn in der Verbundenheit zu den Eltern entwickeln sich alle Fähigkeiten, die im Kind veranlagt sind, und die es zur Bewältigung seiner Zukunft benötigt. Und hier ist wirklich „nur“ die Anwesenheit der Eltern gemeint und nicht deren Aktivität.
Wenn es dem Baby ermöglicht wird, im Arm der ruhenden Eltern seine kleine oder große Lebenskrise lauthals zu betrauern, dann hat es in diesem Moment alle Möglichkeiten zu erlernen, was für sein Leben wirklich wichtig ist. Und obendrein erlebt es dankbar die sichere und führende Kraft seiner Eltern. Dann fühlt es sich geborgen.
Haltgeben als Lebensform:
Halt und Geborgenheit. Aus der Festhaltetherapie nach Dr. Jirina Prekop, mit deren Hilfe emotional in Not geratene Kinder und ihre Eltern wieder zu einer stabilen und liebevollen Beziehung finden können, hat sich das Halten und Haltgeben als Lebensform entwickelt. In diesem Haltgeben werden die elementaren Bedürfnisse des Kindes nach körperlichem, seelischem und geistigem Halt anerkannt und genährt. Die ethische Grundlage dieser inneren Haltung ist die uneingeschränkte Achtung vor der Person des Kindes und seinen Empfindungen.
Halt für den Körper:
Wie Sie ja wissen, ist das Bedürfnis nach Körperkontakt, nach Berührtwerden, elementar. Nun ist mit diesem Körperkontakt aber nicht nur das zärtliche Streicheln gemeint, sondern ein Berührtwerden am ganzen Körper, in fester und inniger Umarmung, die die Sicherheit gibt, dass sie „nie endet“. Der großflächige, langanhaltende, nicht wechselnde, deutlich spürbare umarmende Druck, den das Kind am ganzen Körper fühlen kann, vermittelt ihm in emotionellen Krisen ein Höchstmaß an Geborgenheit. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Baby sofort ruhig wird, wenn Eltern es in dieser Art im Arm halten. Nein, gerade das Gegenteil ist der Fall.
Denn in dieser innigen Umarmung, in diesem sicheren Halt ist es dem Baby überhaupt erst möglich, seinen Tränen in befreiender Weise freien Lauf zu lassen. Erst jetzt ist es möglich, auch die ungeweinten Tränen der vergangenen Wochen fließen zu lassen, weil nun der Raum dafür da ist. Jetzt erst spürt das Baby seine gesamte Verzweiflung, die wirkliche Tiefe seiner Angst. Erst jetzt kann es zulassen, was bisher unterschwellig in ihm schwelte. Nun kann es sich endlich im Arm der Eltern ausweinen, es wird sicher gehalten und spürt die Eltern mit seinem größten Wahrnehmungsorgan, mit seinem ganzen Körper. Ein Grundbedürfnis wird befriedigt. Welche Wohl tat für das Baby.
Halt für die Seele:
Im Gehaltenwerden spürt das Kind die Sicherheit, die es für seine stabile seelische Entwicklung benötigt. Nun werden keine Ablenkungsversuche mehr gemacht, die es irritieren könnten; es wird verstanden und in seiner emotionalen Befindlichkeit geachtet. Das Baby lernt von Anfang an mit Hilfe der Eltern, sich seinen Gefühlen und den schmerzhaften Seiten des Lebens zu stellen. Dadurch entwickelt es innere Stärke und Kompetenz zur Krisenbewältigung und ein unerschütterliches Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Gleichzeitig wächst auch das Vertrauen in die Eltern, die ihm so bei der Krisenbewältigung helfen. Das Baby fühlt sich sicher und gut verstanden, eine starke Bindung an die Eltern – die stabilste Grundlage für seine zukünftige Entwicklung – ist die Folge.
Stärkung der Persönlichkeit:
Das neu geborene Baby – welches vom Beginn seines Dasein an den starken Impuls zur Persönlichkeitsentwicklung in sich veranlagt hat – bekommt im Halten eine sichere „Starthilfe“. Nicht nur, weil sein Grundbedürfnis nach Berührtwerden am ganzen Körper befriedigt wird und es in der liebevollen Umarmung in Krisensituationen seine Sehnsucht nach emotionaler Nähe und Tiefe der Beziehung erfüllt bekommt. Auch für den geistigen Teil seiner Persönlichkeit, der Individualität – die sich in seinem Wesen, seinem Charakter, seinen Tugenden und Schwächen, seiner gesamten Persönlichkeitsstruktur ausdrückt – bekommt das Baby nun, was es braucht. (Dieser geistige Teil in uns ist nicht die Intelligenz, wie oft irrtümlich angenommen, sondern das Einmalige in jedem Menschen, dieser Teil in uns, zu dem wir ICH sagen.) Der Mensch als körperlich-seelisch-geistiges Wesen braucht eben zum Heranreifen auch geistige Nahrung. Denn sein Ich will wachsen und sich entwickeln, und dazu bedarf es unteranderem des sicheren Haltes durch die Eltern und der Auseinandersetzung mit den schwierigen Seiten des Lebens. Das kleine Kind benötigt – um sich in der eigenen Person deutlich wahrzunehmen – die deutliche Wahrnehmung der ihn umgebenden und betreuenden Personen. Je eindeutiger, sicherer und führender also ein Elternpaar ist, desto intensiver kann das Baby diese auch wahrnehmen und so daran wachsen.
In diesem sicheren Halt, den Kinder in ihrer emotionellen Not erfahren, wenn sie sich im Arm der Eltern ausweinen dürfen, wenn sie spüren, dass diese mit ihnen durch die Krise gehen, statt ihnen mit Ablenkungen das Leben zu „erleichtern“, sind Eltern für ihre Kinder deutlich und eindeutig wahrnehmbar. Sie bieten somit ein Höchstmaß an Halt, emotionaler Sicherheit und – durch die Auseinandersetzung mit der Krise – die Grundlage für Persönlichkeitswachstum. Diese Kinder sind sehr zufrieden und entwickeln Freude und Stärke für die Zukunft.
Die praktische Durchführung
Was können Eltern tun? Wenn Sie sich also in der misslichen Lage befinden, dass Ihr Baby viel weint und Sie bisher noch kein wirksames „Gegenmittel“ gefunden haben, wollen Sie sicher auch neue Wege beschreiten, um (wieder) zu einem ausgewogenen Miteinander zu finden. Dazu ist es sinnvoll, sich über das bisher Gelesene vertiefende Gedanken zu machen, auf die innere Stimme zu horchen („Kann ich mir das mit meinem Baby vorstellen …?“) und sich mit dem anderen Elternteil auszutauschen. Denn gerade am Anfang brauchen Sie die Unterstützung Ihrer Partnerin bzw. Ihres Partners, um zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Sie dürfen nicht vergessen, dass Sie seit Tagen, Wochen oder Monaten „die Nerven blank“ haben und auf den gereizten und beziehungsbelastenden Kommentar „Jetzt gib ihm doch endlich den Schnuller!“ gerne verzichten möchten. Das Ausweinenlassen sollte also im Einverständnis beider Eltern – die einander unterstützen – stattfinden. Ausnahmen sind natürlich immer möglich, z.B. bei Allein erziehenden oder wenn der Vater in einer klaren Absprache „den Erziehungskram“ der Mutter überlässt.
Der praktische Ablauf:
Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, setzen Sie sich bequem in eine gemütliche Ecke (alle möglichen Störfaktoren wie Telefon, Klingel, Zeitknappheit usw. sind ausgeschaltet). Schön ist es, wenn der Partner sich mit einem Kissen an die Wand setzt und seine Partnerin in seinen Schoß nimmt. Sie kann sich gut bei ihm anlehnen und sich dort die nötige „Rückenstärkung“ holen. Vielleicht ergibt es sich, dass Ihre Hebamme anwesend ist, um Sie zu unterstützen, Ihr Baby zu halten. Wichtig ist, dass Sie sich sammeln und etwa durch tiefe, bewusste Atemzüge den eigenen Mittelpunkt suchen. Dort finden Sie den Mut, mit Ihrem Kind durch die Krise zu gehen und können nun Abschied nehmen von dem beunruhigenden Gedanken, Sie wären durch Ihre Inkompetenz „schuld“ an den Tränen des Kindes. Sie nehmen Ihr Baby entweder liegend in den Arm, sodass es wie beim Stillen Ihnen mit dem ganzen Körper zugewandt ist oder halten es „Bauch auf Bauch“ an Ihren Körper. Spätestens jetzt lösen sich beim Kind schon die ersten Tränen. Es ist einen Moment lang irritiert, weil es die neue Situation nicht einschätzen kann und die bekannten Ablenkungen vermisst. Sie nehmen Ihr Baby mit festem Halt an Ihr Herz und sorgen dafür, dass weder das Köpfchen hin und her wackelt noch mit Anstrengung aufrecht gehalten werden muss. Das Köpfchen muss aufliegen, denn damit gibt das Kind die Verantwortung ab, es gibt sich – anfangs noch mit seelischen Schmerzen – ganz in die fürsorglichen Hände seiner Eltern. Die Ärmchen packen Sie so mit in Ihre haltende Umarmung, dass sie nicht frei herumrudern können, denn sonst würde das Kind sich im Zappeln verlieren und zerstreuen. Auch hier kann Ihnen Ihre Hebamme behilflich sein. Nur wenn Ärmchen und Beinchen mit gehalten werden, empfindet das Baby Geborgenheit rundum. Falls Sie das Gefühl haben, dass Sie zwei Hände zu wenig besitzen, können Sie sich auch so hinsetzen, dass die Beine des Kindes, z.B. von der gepolsterten Armlehne, gestützt werden. Gerade die Babys mit Bauchschmerzen wollen gerne ihre Beinchen fest gegenstemmen, um sich zu entlasten. Während dieser wenigen Minuten hat das Baby seine Schleusen schon weit geöffnet und weint seinen Kummer und seine Tränen lautstark und verzweifelt hinaus. Je lauter und jämmerlicher es weint, desto mehr erwacht in Ihnen Ihr elterlicher beschützender Instinkt, und Sie drücken es immer inniger an sich. Nur so ist der Kummer zu ertragen.
Auch die Eltern haben Kummer:
Oft sind dabei die Eltern ebenfalls den Tränen nahe. Denn auch sie haben in den vergangenen Wochen gelitten. Sie sind bestürzt darüber, dass ein Baby so viel Kummer haben kann, sie begreifen vielleicht jetzt erst das Ausmaß des Geschehens bei der Geburt, sie trauern mit ihrem Kind über die nicht gewollte Trennung, die zu frühe Geburt und die eventuell notwendigen, aber dennoch schmerzhaften medizinischen Maßnahmen. Sie merken vielleicht jetzt erst den gesamten Druck der psychischen Belastung, den das Zusammenleben mit dem Baby bisher mit sich brachte. In Ihrer Hebamme finden Sie eine aufmerksame Zuhörerin, denn auch die Tränen der Eltern sind willkommen.
Meine Beobachtung ist immer wieder, dass die Babys umso besser in die Erleichterung kommen, je eher auch die Mama entspannt. Und das geht nun einmal mit Tränen am besten. Sie brauchen also nicht tapfer zu sein. Es ist keine Schwäche, zu weinen. Im Gegenteil, es ist mutig, sich seinen Gefühlen zu stellen. Es tut allen Kindern gut, die Eltern so authentisch und ehrlich zu erleben.
Was empfindet das Baby dabei?
Wenn Sie nun so mit Ihrem Baby sitzen und es ohne ablenkende Aktivitäten im Arm halten, wird sein Weinen innerhalb von Sekunden oder Minuten sehr heftig. Dies mag Sie im ersten Moment erschrecken, es spricht aber nur dafür, dass Ihr Kind jetzt die Gelegenheit nutzt, sich richtig heftig auszuweinen. Oftmals kommen „uralte“ Kümmernisse mit ans Tageslicht. Je mehr sich Ihr Baby in sein Weinen „hineinsteigert“, je kraftvoller es seine Not ausdrückt, desto schneller ist die Situation auch wieder beendet. Denn die Babys weinen wirklich nur so lange, wie sie ihren Kummer im Herzen spüren. Vom einfachen Unwohlsein, einer Irritation, einem „ganz normalen Babykummer“ kann sich sein Weinen innerhalb kürzester Zeit schon bis zu einem lauten Protestgeschrei steigern. Dies erleben alle Eltern mehrmals täglich. Kommt das Baby im Halten aber seinem tiefer sitzendem Urkummer näher, wird es sich bei dieser Aufarbeitung noch einmal so wütend, überfordert oder verletzt fühlen, wie in der damaligen Situation. Jetzt kann es seine Gefühle herauslassen. Es fühlt sich genauso ohnmächtig oder verlassen wie damals, und kann nun den Eltern seinen Schmerz mitteilen. Um diese tief sitzenden Schrecken aus der Vergangenheit endlich zu verarbeiten, braucht das Kind jetzt den sicheren Halt im Arm der Eltern und die uneingeschränkte Erlaubnis zu Weinen. Hat das Baby den Höhepunkt erreicht, fällt die Kurve wie beim Wehenschreiber wieder nach unten, auch hier in individueller Art. Meistens hat die abklingende Seite der Kurve keinen glatten Verlauf, sondern einige weitere, kleinere Ausschläge. Es ist dann zu beobachten, dass das Baby jetzt gerne schon entspannen möchte, aber durch die wiederholte Erinnerung an den Kummer immer wieder erneut aufweinen muss. In diese Phase gehört auch die tiefe Trauer, die das Kind über den schweren Lebensstart empfindet. Für die begleitenden Eltern ist es wichtig zu wissen, dass ihr Baby nicht unbedingt schlimme Erlebnisse haben musste, um derart zu trauern. Manche Kinder trauern auch darüber, dass sie das „Paradies“ verlassen mussten und „vom Himmel auf die Erde“ kamen (dies sagt nichts darüber aus, wie wohl sich ein Kind bei seinen Eltern fühlt, sondern wie schön es vorher war).
Das Baby im Arm taucht immer wieder in die traurigmachende Erinnerung ein, bis dieses Gefühl nach und nach abflacht und mehr und mehr der Entspannung weicht.
Der Kummer verschwindet:
Der unruhige Zustand des Babys hat sich erheblich verändert. Es liegt jetzt ganz dicht an Mama oder Papa geschmiegt. Die Steifheit, das Durchbiegen, seine Abwehr haben sich aufgelöst. Es wird immer entspannter, schluchzt noch hin und wieder auf. Oftmals schlafen die Kinder dann ein oder haben – manchmal zum ersten Mal – intensiven Blickkontakt mit den Eltern. Irrtümlich wird oft angenommen, das Baby schlafe vor Erschöpfung ein, dabei ist es die Entspannung, die es so schön zur Ruhe kommen lässt.
Die Eltern, die so mutig diesen Weg mit dem Kind gegangen sind, werden durch den intensiven Kontakt zu ihm reichlich belohnt. Vielleicht ist es das erste Mal, dass Sie Ihr Baby so innig im Arm halten, ohne dass es Sie abwehrt oder sich wegdreht. Sie haben das Gefühl, ihm richtig nahe zu sein, seinen Blick erwidern zu können und seine Botschaft zu verstehen. Der trennende Schmerz ist aufgelöst und die Liebe kann ungehindert fließen. Auf diesen Augenblick haben Sie so lange gewartet.
Einige Bedenken:
Hier möchte ich noch einige Fragen ansprechen, die Eltern im Zusammenhang mit dem Halten immer wieder haben. Den meisten Eltern ist der Gedanke äußerst unangenehm, ihr Baby auch dann fest an sich zu drücken, wenn „es sich doch so wehrt“. Sie vermuten dann, dass ihr Baby diese haltende Umarmung nicht möchte und haben große Hemmungen, sich ihrem Kind „aufzudrängen“ und damit seine eigene Entscheidungsfreiheit zu missachten. Hier müssen wir uns noch einmal in die Gefühlswelt der kleinen Kinder versetzen. Das Baby hat aus seiner Sicht Schlimmes erlebt und versuchte bisher mit den ihm zu Verfügung stehenden Mitteln, damit zurecht zu kommen. Dies gelang mehr schlecht als recht. Durch die haltende Umarmung wird ihm sein Schmerz so richtig bewusst, es spürt seine Defizite, die Verzweiflung, die die Trennung auslöste usw. Die Gefühle kommen mit einer solchen Macht an die Oberfläche, dass der ganze Körper davon ergriffen wird. Das Baby stemmt sich gegen die Mama, will sich nach hinten werfen, dreht den Kopf weg usw., weil die Not so groß ist, und nicht weil das Baby sich „gegen die Mama wehrt“. Das Kind braucht in den Momenten seiner großen Not dringend den Halt im Arm der Eltern, um sich von den belastenden Gefühlen befreien zu können.
Der Mensch ist biologisch so veranlagt, dass er sich bei Kummer und seelischem Schmerz in sich zurückzieht und in Vermeidungsmechanismen flüchtet.
Dabei bleibt er innerlich einsam. Um das Kind nicht in diese Einsamkeit flüchten zu lassen, können Eltern aus Einsicht und Liebe zum Kind auch „gegen seinen Willen“ (der ja hier im genaueren Sinne ein Fluchtinstinkt ist) ihr Baby halten. Denn nur im tiefen Kontakt mit den Eltern bekommt das Kind die wichtigen Vorraussetzungen für seine Zukunft, niemals aber im „Alleingang“.
Eine weitere Sorge der Eltern ist die Vermutung, dass ihr Baby nur deshalb so jämmerlich weint, weil sie es halten. Sie befürchten dann, die dichte Umarmung wäre dem Kind unangenehm und der Anlass seiner Tränen. „Wenn ich ihn loslasse oder aufrecht nehme, ist er sofort wieder ruhig“ ist dann das Argument. Natürlich ist das Baby im ersten Moment wieder ruhig, weil es sich eventuell neu orientieren muss, oder weil es wieder auf Abstand zu seinen Gefühlen geht. Außerdem ist der Raum, wo Tränen ungehindert fließen können, dann nicht mehr vorhanden. Also hört es auf zu weinen. Allerdings nur, um dann im weiteren Tagesverlauf immer weiter zu nörgeln, zu weinen und Unzufriedenheit zu zeigen.
Wenn ein Baby beim Halten voller Verzweiflung weint, dann weint es, weil es wirklich verzweifelt war oder ist, und nicht, weil es im Arm gehalten wird. Denn das ist ja nichts Bedrohliches, sondern etwas, was sich jeder Mensch im Grunde seines Herzens
ersehnt. Beim Halten kommen also nur die vorher nicht geweinten Tränen zum Vorschein.
So brauchen Sie sich also keine Sorgen zu machen, Ihr Baby würde weinen, weil Sie es halten. Nein, es hat genügend andere Gründe. Und wenn alle Tränen ausgeweint sind, ist Ihr Kind sehr dankbar, dass Sie ihm so tatkräftig geholfen haben.
Weitere unterstützende Maßnahmen:
Lösen des emotionalen Staus. Das Halten ist – zumindestens in der Anfangszeit – eine zeitraubende und gefühlsintensive Angelegenheit. Davon sollten Sie sich nicht abschrecken lassen. Denn meistens ist nur am Anfang der Kummer so groß, dass Ihr Baby diese intensive Art der Betreuung öfter braucht. Vielleicht ergibt es sich ja gerade in der Anfangszeit, dass Sie während der Wochenbettbetreuung durch Ihre Hebamme mit ihr über dieses Thema sprechen. Haben Sie die Hintergrundphilosophie dieser Lebensform nach einiger Zeit so verinnerlicht, dass Sie Ihr Baby bei jeder notwendigen Gelegenheit im Arm oder in Ihrer Gegenwart sich entlasten lassen, dann fällt diese Form der Zuwendung zeitlich nicht mehr ins Gewicht. Dadurch, dass Ihr Baby durch das tägliche Entlasten keinen emotionalen Stau mehr entwickelt, reichen oft ein paar Minuten zum Ausweinen. Viel mehr Zeit bräuchten Sie dagegen, um Ihr Baby mit Singen, Tanzen, Hüpfen, Schaukeln und sonstigen Aktivitäten wieder „zu beruhigen“. Die neue Art des Umgangs ist auf Dauer wesentlich stressfreier und befriedigender für alle Beteiligten, als täglich enttäuscht und frustriert erleben zu müssen, dass alle Ihre zeitaufwendigen (und oftmals nervenden) Aktivitäten in puncto Beruhigung von mäßigem Erfolg sind. Ein Baby, das emotional oder energetisch nicht gestaut ist, zeigt sich von seiner zufriedenen Seite.
Halt im Alltag:
Es gibt noch wesentlich mehr Dinge, die wir im Alltag für unsere Kinder tun können, damit sie sich wohl fühlen und gedeihen. Alle Eltern sind heute bemüht, die Grundbedürfnisse der Kinder zu befriedigen, weil sie wissen, wie wichtig das für die Entwicklung ist. Leider gibt es so gut wie keine gängige Literatur darüber, was denn die Grundbedürfnisse tatsächlich sind (3). Wir sind nur über das Bedürfnis nach Nähe, Liebe und Zuwendung in ausreichendem Maße informiert. Hier möchte ich nur einige wenige der nicht beachteten Grundbedürfnisse kurz erwähnen.
Wärme und Enge:
Das elementare Bedürfnis des Kindes nach Körperkontakt – sprich: am Körper berührt zu werden – wird mit den üblichen Zärtlichkeiten nur unzureichend befriedigt. Das Baby braucht am ganzen Körper ein ständiges, fast ununterbrochenes, nicht nachlassendes Berührtwerden, damit es sich selber wahrnehmen kann. Dies kann natürlich kein Elternteil dauerhaft leisten. Deshalb – und weil es praktisch war – haben unsere Vorfahren die Kinder in Tüchern warm und eng am Körper getragen. Dies wird seit Jahren auch in unserem Kulturkreis wieder propagiert, ist aber oft nur stundenweise möglich oder kommt für manche Eltern aus den verschiedensten Gründen nicht in Frage.
Deshalb ist es sehr sinnvoll, das Baby eng in seine Wolldecke zu wickeln, damit es genügend warm ist, sich permanent spüren und Arme und Beine bei sich behalten kann. Das gibt dem Baby sehr viel Halt und Geborgenheit. Es ist oft zu beobachten, das unruhige Babys wie verwandelt sind, wenn sie diese wohltuende Enge und Wärme um sich herum wahrnehmen. Da Eltern die Technik des Wickelns traditionsbedingt nicht mehr beherrschen, müssen sie eventuell einmal zu Hilfsmitteln greifen und einen Seidenschal o.ä. im Schulterbereich um das „Päckchen“ wickeln, damit das Baby mit seinen rudernden Bewegungen die Decke nicht wieder öffnet. Lassen Sie sich von Ihrer Hebamme zeigen, wie Sie Ihr Baby sicher und kuschelig einwickeln können. Scheuen Sie sich nicht, Ihrem Baby die Welt wirklich eng zu gestalten. Entgegen der herkömmlichen Literaturaussage ist es keine Freude für ein Neu geborenes, frei zu strampeln. Im Gegenteil, es bekommt Angst, weil es die Welt in ihrer Größe nicht einschätzen kann und sich darin verliert. Denken Sie an die Geborgenheit im Mutterleib, auch dort war es eng und kontinuierlich warm. Viele Völker wickeln ihre Babys monatelang so eng, dort sind – natürlich auch aus anderen Gründen – unruhige Babys nicht bekannt. Wir sollten es zumindestens einige Wochen so durchführen, bis das Baby seine Gliedmaßen gezielt bewegen kann und nicht mehr vor der Weite und seiner eigenen unkoordinierten Bewegung erschrecken muss.
Rhythmus:
Eine weitere harmonisierende Maßnahme können Sie einführen, indem Sie Ihrem Baby einen Rhythmus im Tageslauf geben. Auch der Rhythmus ist ein elementares Grundbedürfnis des Kindes. Hierbei handelt es sich – ganz entgegen der üblichen Auffassung – um eine biologische Notwendigkeit und nicht um eine Meinungs- oder Entscheidungsfrage. Mit Rhythmus ist hier kein nüchterner 4-Stunden-Takt gemeint, wie Sie jetzt vielleicht befürchten werden, sondern eine lebendige, auf die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes und seine Alterstufe abgestimmte individuelle Zeiteinteilung, die für einige Zeit beibehalten wird. Natürlich ist der Rhythmus für ein wenige Wochen altes Baby ein anderer als für einen halbjährigen Säugling. Wichtig ist nur, dass der Rhythmus eingehalten wird, denn sonst wäre es ja keiner mehr. Da Ihr Baby sich erst in seiner neuen Umgebung einleben muss, lassen Sie ihm etwas Zeit und beginnen je nach Wesen des Kindes zwischen der zweiten und vierten Woche behutsam, eine Regelmäßigkeit in den Tagesablauf einzuführen. So, wie es zu Ihrem Kind und zu Ihrer familiären Situation passt. Auch hier steht Ihnen Ihre Hebamme mit Rat zur Seite. Zwischen der dritten und achten Woche sollte dann ein täglich wiederkehrender Rhythmus vorhanden sein, damit sich das Baby (und die Mama) wohl fühlt. Es ist immer wieder zu beobachten, dass Babys, die mit ihrer Familie rhythmisch leben, wesentlich zufriedener sind als Kinder, die sich täglich oder stündlich auf wechselnde Gegebenheiten einstellen müssen.
Blähungen und sonstige „Erklärungen“
Eine Anmerkung zur allabendlichen Schreistunde. Immer wieder werden mir in meiner Praxis Babys als „Schreikinder“ vorgestellt. Eine genaue Anamnese ergibt, dass die Babys sich eigentlich „ganz normal“ verhalten, aber die Eltern vollkommen irritiert, vielleicht sogar schon entnervt reagieren. Bei den Gesprächen wird eine Wissens-lücke bezüglich des Schreiverhaltens eines normal entwickelten und gesunden Säuglings sichtbar. Eltern werden durch die herkömmliche Literatur nicht in genügendem Maße darauf vorbereitet, dass es für das Kind viele, viele Gründe gibt, sich durch Schreien mitzuteilen. Insbesondere wird hier nicht auf die allabendliche Schreiphase hingewiesen.
Die Schreiphase ist bis zum Alter von etwa 8 – 14 Wochen ein täglich erneut auftretendes Phänomen, welches noch weitgehend ungeklärt ist und für das sich jede damit in Berührung kommende Berufsgruppe eine eigene Deutung erarbeitet hat. Die Großeltern sprechen noch von notwendiger „Lungenstärkung“, Kinderärzte von „Blähungen“ oder „Unreife des Verdauungstraktes“. Ganzheitlich orientierte Fachleute sprechen von einer Phase intensiven Selbsterlebens oder ordnen die Schreizeit und -art einem homöopathischen Arzneibild zu. Fest steht, dass die Babys unseres Kulturkreises ein sehr unruhiges, von vielen Störungen und Reizen beeinträchtigtes Leben haben, das in vielen Fällen zu einer Überforderung und Überreizung führt. In der allabendlichen Schreistunde findet das Baby dann die passende Gelegenheit, sich von dieser Überforderung und Überreizung wieder zu befreien. Wenn es darf. Denn gerade hier ist zu beobachten, wie Eltern alle Mittel einsetzen, um gegen die Schreiphase anzugehen. Wenn wir annehmen, dass die Schreiphase etwas „Natürliches“ ist, dass es also in der Natur des Kindes veranlagt ist, sich so zu verhalten, dann handeln wir gegen seine Natur, wenn wir versuchen, die Schreiphase mit Beruhigungsmaßnahmen zu verhindern. Und das kann nicht gut sein.
Wenn uns schon aus der Veranlagung des Kindes heraus die tägliche Gelegenheit geboten wird, dann sollten wir die Chance dieser wachen, aktiven Phase auch nutzen, dem Baby die Möglichkeit zur gründlichen Entlastung zu geben.
Viele der so genannten Schreikinder sind Babys, die in ihrem Bedürfnis, sich abends vom Stress des Tages zu entlasten, missverstanden werden. Wenn das Baby über seine Tagesportion Stress abends lauthals schimpfen will, ihm aber keine Möglichkeit dazu gegeben wird, ist es nur logisch, dass es dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit kleine Portionshäppchen davon ausweint, eventuell über viele Stunden verteilt. So schafft ein Baby ohne weiteres, seine Schreiphase – die, normalerweise von vielen kleinen Pausen unterbrochen, rund zwei bis drei Stunden dauert – auf sechs bis acht Stunden auszudehnen. Und das bevorzugt nachts.
… und zu den Koliken
Ein weit verbreitetes Thema, sowohl bei Eltern als auch bei den Kinderärzten, sind die so genannten Drei-Monats-Koliken. Hier müssen wir unterscheiden zwischen Blähungen und Koliken. Ohne Zweifel ist dies eine Angelegenheit, die Eltern und Babys quält. Auch hier sind die eigentlichen Hintergründe noch vollkommen ungeklärt. Die gängige Diagnose „Unreife des Verdauungstraktes“ kann man getrost als Erklärungsversuch einordnen, denn auch dieses Phänomen ist wiederum nur in unserem Kulturkreis bekannt. Und warum sollten afrikanische Neugeborene einen reiferen Darmtrakt haben als mitteleuropäische Kinder? Da wir heutzutage wesentlich mehr „Schreibabys“ haben als noch vor zwanzig Jahren, suchen Eltern wie Fachleute nach Ursachen. Oftmals fehlen schlüssige Erklärungen, weil das Kind nicht in seiner seelisch-geistigen Ganzheit gesehen wird. Was liegt da näher als an Bauchschmerzen zu denken. Meine langjährigen Erfahrung als Hebamme verdanke ich die Beobachtung, dass „echte“ Koliken weitaus seltener sind als allgemein angenommen. Weil andere Gründe für das Schreien aber nicht bekannt sind, wird eben die Diagnose „Drei-Monats-Koliken“ verwendet. Damit wird natürlich auch der Blick auf tiefer liegende Ursachen und komplexere Zusammenhänge verstellt.
Gegen echte Koliken ist noch „kein Kraut gewachsen“. Hier wird allen Beteiligten viel abverlangt. Gepeinigte Eltern wissen, dass weder Blähungströpfchen noch Kräutertees, weder Zäpfchen noch Einreibungen, weder Homöopathie noch Allopathie die (unbekannten) Ursachen beseitigen oder die Symptome längerfristig besänftigen können. Die harmlosere Variante der Koliken sind die Blähungen, die oft abends recht häufig auftreten. Während der allabendlichen Schreistunden haben die Babys oft zusätzlich Bauchweh. Zusätzlich, wohlgemerkt, denn dies ist nicht die Ursache der Schreistunde, sondern eine Begleiterscheinung. So wie das ganze Kind während dieser Phase sehr aktiv ist und sich bewegt und schreit und dies als seinen „abendlichen Spaziergang“ nutzt, so ist auch der Darm in dieser Zeit sehr aktiv. Er arbeitet und rumort mehr als sonst. Verdauungsarbeit ist für ein Baby Schwerstarbeit. Und so rumort es kräftig mit. Diese Aktivitäten kann das Baby nicht still vollziehen, auch hier will es wieder tüchtig schimpfen.
Exzessives Schreien
Diagnose: Schreibaby
Seit einigen Jahren ist eine extreme Zunahme der Diagnose „Schreibaby“ zu beobachten, sodass man sich fragen muss, was unsere Kinder bei ihrer Ankunft auf der Erde erleben. Immer mehr Eltern fühlen sich dem Alltag mit einem Schreibaby nicht gewachsen und benötigen dringend die Unterstützung einer Beratungsstelle. Eine Antwort auf die Frage „Wann ist ein Baby ein Schreibaby?“ gibt die so genannte Dreier-Regel: Wenn das Baby über einen Zeitraum von mehr als drei Wochen an mehr als drei Tagen der Woche länger als drei Stunden pro Tag schreit, dann spricht man von exzessivem Schreien.
Doch auch unabhängig von dieser Definition sollten sich Eltern jederzeit Hilfe holen, wenn sie sich überfordert fühlen oder Sorge um ihr Kind haben.
Im Gegensatz zum ganz alltäglichen und „normalen“ Weinen, das in dieser Broschüre besprochen wurde, ist das exzessive Schreien ein Symptom für eine gravierende und damit behandlungsbedürftige Störung. Diese Störung ist durch schicksalhafte Ereignisse und individuelle Erlebnisse im Leben des Kindes entstanden.
Wegen der unterschiedlichen Ursachen des exzessiven Schreiens bedarf es in jedem Falle einer besonderen Intervention, damit dem Kind nachhaltig geholfen werden kann. Hier ist weder mit den üblichen Erziehungsvorschlägen „Jetzt lass ihn doch mal schreien!“ noch mit dem in diesem Heft erklärten unterstützenden „Ausweinen lassen“ nachhaltig Abhilfe zu schaffen, weil die jeweiligen Ursachen dabei vollkommen unberücksichtigt bleiben.
Doch bevor angemessene Hilfe angeboten werden kann, muss mehr über mögliche Ursachen des extremen Schreiens bekannt sein.
Exzessives Schreien kann zum Beispiel ausgelöst werden durch:
•posttraumatische Störungen, entstanden durch traumatische Erlebnisse des Kindes während der Schwangerschaft, der Geburt oder danach
•Beziehungsstörungen zwischen Mutter und Kind
•Nach- und Nebenwirkungen von Medikamenten, die der Mutter während der Schwangerschaft oder der Geburt verabreicht wurden
•Nach- und Nebenwirkungen von Impfungen
•Interaktionstörungen
•Kiss-Syndrom
•eine ängstliche Persönlichkeitsstruktur des Kindes
•schwere Beziehungskrise der Eltern
Hier sind je nach Diagnose und Situation die unterschiedlichsten Therapie und Hilfsangebote angebracht, die ich ausführlich in meiner Broschüre „Schreibabys – Ein Leitfaden für betroffene Familien“ erläutere. Gehören Sie zu den Eltern, die ein „Schreibaby“ haben, sollten Sie sich nicht scheuen, sich möglichst bald professionelle Unterstützung für sich und Ihr Kind zu holen. Mit Hilfe Ihrer Hebamme wird es Ihnen gelingen, die für Ihr Problem geeigneten Beratungsstellen oder Therapeuten ausfindig zu machen.
Schlusswort
Liebe Eltern, ich habe versucht, Ihnen mit dieser Broschüre einen kleinen Einblick in ein weitreichendes Thema zu geben. Es gibt so viele Gründe für ein Baby, zu schreien, wie es Babys gibt. Jedes Baby ist einmalig und will in seiner Besonderheit betrachtet und geachtet werden. Und jedes Elternpaar sucht auf seine eigene Weise den emotionalen Kontakt zu seinem Kind. Diese Broschüre möchte Ihnen dort weiterhelfen, wo der Kontakt aus Ratlosigkeit dem schreienden Baby gegenüber blockiert ist. Sie soll Ihnen als Anregung dienen, neue Verhaltensweisen in die Beziehung einfliessen zu lassen, um die Bindung zu erneuern und zu vertiefen. Es ist wichtig zu wissen, dass auch Eltern von frühgeborenen Babys nach der Entlassung des Kindes aus der Kinderklinik noch Anspruch auf Hebammenhilfe haben. Ist das Baby älter als acht Wochen, lassen Sie sich die notwendige verlängerte Hebammenhilfe von Ihrem Kinderarzt verschreiben. Denn gerade nach solchen belastenden Situationen kann die Hebamme unterstützend und hilfreich tätig sein.
Die Hebammen sind immer die ersten Ansprechpartnerinnen für Eltern und Babys. Sie stehen Ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite, weil ihnen das Wohl von Eltern und Kindern am Herzen liegt
Brigitte Hanning ist seit mehr als 20 Jahren als freiberufliche Hebamme tätig. Als Früherziehungsberaterin und Festhaltetherapeutin arbeitet sie in eigener Praxis. Gerne möchte ich euch diese Broschüre nicht vorenthalten.
Die Broschüren von Brigitte Hannig sind auch direkt zu beziehen über:
Brigitte Hannig
Hebamme, Früherziehungsberaterin und Festhaltetherapeutin
Beratungspraxis für frühe Probleme
Wiesenstr. 11
40878 Ratingen
Tel. 02102 – 39 95 32
Fax 02102 – 70 93 79
Brigitte Hanning Link